Gebäudesanierung neuen Typus: energieautark, emissionsfrei, bezahlbar

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Interview mit dem sächsischen Energieexperten Professor Timo Leukefeld

Die WG UNITAS eG hat im Sommer 2025 ihr erstes Projekt zu einem nahezu energieautarken und emissionsfreien Mehrfamilienhaus in Delitzsch der Öffentlichkeit vorgestellt.

In nicht einmal zwei Jahren Bauzeit investierte die Wohnungsgenossenschaft rund 2 Millionen Euro in einen knapp 100-jährigen Ziegelbau, um ein energetisches Wohnhaus der Zukunft zu verwirklichen: effizient, umweltfreundlich, emissionsfrei und sozialverträglich im Mietpreis.

Der bundesweit anerkannte Energieexperte Professor Timo Leukefeld aus dem sächsischen Freiberg begleitete mittels Energetischem Kompass das Projekt mit seinem Low-Tech-Konzept – ausreichend Anlass, energetische Vision, konkrete Umsetzungsstrategie und Potenziale von ihm zu erfahren.

 

Herr Leukefeld, die Bundesrepublik Deutschland formuliert – notwendigerweise – anspruchsvolle Klimaziele. Der Gebäudesektor ist dabei ein wichtiges Handlungsfeld. Das UNITAS-Projekt in Delitzsch ist Beispiel dafür, wie Ihre Vision lebendig wird. Worauf gründet sie? Was davon ist in das UNITAS-Projekt eingeflossen?

Das, was die Bundesregierung ab 2050 zum Baustandard machen will, hat die UNITAS schon heute in Delitzsch umgesetzt: die Sanierung eines hochgradig energieautarken Mehrfamilienhaues – hier durch den Bezug von Ökostrom zudem CO2-steuerfrei. Es ist mit einer wartungsfreien kostengünstigen Infrarotheizung und einer dezentralen Warmwasserbereitung mit Autarkie-Boiler ausgestattet. Die Hauptkomponenten Infrarotheizung, Photovoltaikmodule und Autarkie-Boiler haben eine Lebensdauer von 30 Jahren. Sie sind so sparsam, robust und nachhaltig, dass die Wohnungen mit der von uns entwickelten Pauschalmiete mit Energieflatrate für 5 Jahre zum festen Preis von 12,50 m²/Monat vermietet werden können. Im Aufwand also vorteilhaft für den Vermieter Genossenschaft sowie für den Bewohner wegen der Preisstabilität. Absolut einzigartig in ganz Sachsen.

Bezahlbares Wohnen im zeitgemäßen Komfort – das ist ein heißes wie heikles Thema in Deutschland. Baukosten steigen, der Wunsch nach behaglichen Zimmertemperaturen und allzeit verfügbarem warmen Wasser zahlt deutlich auf die Wohnkosten ein. Energetische Vorteile durch Photovoltaikanlagen sind inzwischen auch für technische Laien nachvollziehbar. Doch was ist ein Autarkie-Boiler, wie funktioniert er und wodurch spart er ein? Welche Vorteile haben Infrarotheizungen?

Durch die dezentrale Warmwasser-Bereitung in jeder Wohnung werden schon mal 50% an Energie eingespart, weil das Warmwasser nicht mehr im Haus zirkulieren muss. Jede Wohnung hat einen Autarkie-Boiler zur Duschwassererwärmung mit etwa 200 Litern. Dieser wurde speziell von uns konzipiert und hat eine zweite flexibel zuschaltbare Heizpatrone, die von März bis Oktober zwischen 10 und 14 Uhr nur mit überschüssigem Solarstrom betrieben wird. Das bringt dem Mieter übers Jahr etwa 70 % weniger Energiekosten bei der Warmwasserbereitung. Außerdem entfällt mit diesem System die Legionellenmesspflicht.

Infrarotheizungen sind in einem energetisch sanierten Gebäude die wirtschaftlichste und ökologischste Heizungsart. Anstatt der vielen Heizungsrohre braucht es nur Kabel. Sie sind kostengünstig, mit 30 Jahren sehr langlebig und vor allem wartungsfrei. Die Mieter schätzen besonders an der Infrarot-Strahlungswärme - wie beim Kachelofen, Lagerfeuer oder der Sonne - die Schnelligkeit, das behagliche Gefühl und die staubfreie Luft.

Rund 1.300 Neubauten und Bestandssanierungen folgen in Deutschland bisher Ihrem Konzept. Welche Potenziale sehen Sie für Deutschland? Welche Effekte können sich insbesondere für Wohnungsgesellschaften ergeben?

Wenn auch regional unterschiedlich, so lahmt im Grunde der Neubau. Die Sanierungsquote liegt in Deutschland aktuell bei 0,7 %. Wir schätzen ein, dass etwa ein Viertel der bestehenden Mehrfamilienhäuser in Deutschland für unser hochgradig energieautarkes Konzept geeignet ist und nach unserem Low-Tech Konzept wirtschaftlich so saniert werden könnte, dass die Ausnahmebedingungen der Heizkostenverordnung erfüllt sind und eine Pauschalmiete mit Energieflatrate eingeführt werden kann. Anstatt 0,7 bieten wir also 25 %. Das ist doch schon mal was, oder? Die mehr als 2.000 Wohnungsgenossenschaften in Deutschland bewirtschaften circa 2,2 Millionen Wohnungen. Allein in Sachsen sind es rund 200 Wohnungsgenossenschaften, die ein Fünftel des Mietwohnungsbestands im Freistaat anbieten. Die Zahlen zeigen, hier steckt einiges an Potenzial drin, zumal der Wohnungsmarkt in Deutschland ja noch viel größer ist.

Unterm Strich bedeutet unsere Konzeptumsetzung für die Mieter dauerhaft bezahlbares und CO2-freies Wohnen, Kostensicherheit, keine Nachzahlungen und Lebensqualität. Und für den Vermieter bedeutet es weniger Aufwand im technischen und kaufmännischen Gebäudemanagement.

Vielen Dank für das Gespräch.

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